Wahlslogans: Welche Sprache steht zur Wahl?

Wir lesen Wahlslogans der großen Parteien in zufällig gewählter Reihenfolge für Sie. Ohne politische Absichten, ohne Tendenz. Aber mit Interesse, Augenzwinkern und unabhängigem Sprachwissen.

CDU Deutschland gemeinsam machen

Die CDU setzt sprachlich auf Zusammenhalt mit einem satzähnlichen Spruch ohne Subjekt. Der Slogan ist ein unspezifischer Call to Action, in Sachen Land aktiv zu werden. Was genau zu tun ist, das wird nicht gesagt.

Deutschland ist ein Substantiv, das aus der althochdeutschen Bezeichnung für Sprecher entstanden ist, die Germanisch statt Französisch, Italienisch oder Latein sprachen. Gemeinsam ist ein Adjektiv, das bedeutet: von Menschen zu bewältigen. Machen ist ein schwaches Verb (nicht im Sinne von schwachem Argument, sondern wegen seiner Veränderungen durch die Zeiten: machen – machte – gemacht) und bedeutet: etwas herstellen oder produzieren.

Zusammen ergibt das eine Infinitivkonstruktion, die auffordernden Charakter hat und ein Satzfragment ist – nicht ganz fertig, könnte der Eindruck sein. Machen lässt sich ein Land strenggenommen sowieso nicht – außer vielleicht beim Nation Building, das bekanntermaßen heikel sein kann. Ein Land wird im üblichen Sprachgebrauch gestaltet oder aufgebaut. Die Phrase wirkt dadurch umgangssprachlich. Das muss kein Nachteil sein, sondern hängt an der Zielgruppe und an der gewünschten Tonalität. Kritische Köpfe könnten annehmen, es sei keine Bildungsnation, die hier gemacht werden soll.

Ein Land machen ... nicht größer oder besser als andere Länder – einfach nur machen, aber gemeinsam. Als Slogan einer Partei, die auf Sieg setzt, soll diese unspezifische Aussage vermutlich eine möglichst große Zielgruppe ansprechen, die ihre Erwartungen auf eine breite Leinwand projiziert.

SPD – Scholz packt das an

Die Partei setzt in ihrem Kampagnenslogan nicht auf sich, sondern auf ihren Spitzenkandidaten. Aber nicht vollständig. Sie wagt ein Sprachspiel und prägt ihren Slogan aus den drei Anfangsbuchstaben ihres Namens, auch wenn das Verb (anpacken, ein trennbares Verb) wie im Deutschen üblich nicht ganz mitspielt und sich in seine Bestandteile zerlegt. Also Scholz als Stellvertreter der Partei und Scholz als ein Macher. Sozialdemokratie gleich Scholz und Scholz gleich Sozialdemokratie.

Scholz ist ein Familienname und leitet sich von Schulz ab, dem Schultheiß im Mittelalter, der von niederer Gerichtsbarkeit war. Anpacken ist ein Verb (schwach) und bedeutet, eine Sache oder Aufgabe mit Energie anzugehen. Das ist ein Artikel, der an dieser Stelle als Objekt im Satz fungiert, und steht hier für die nicht weiter ausgeführte Sache, die Scholz anpackt. Der Slogan ist ein vollständiger Satz und besagt, dass Herr Scholz etwas tun wird.

Dass der Slogan aus den Buchstaben der Partei generiert worden ist, ist einerseits launig und andererseits auch der Versuch einer Umdeutung. Weg von der – bekannten – Partei, hin zum als Macher bekannten und beliebten Kanzlerkandidaten, der etwas tun wird. Was er zu tun gedenkt und ob er es mit Erfolg umsetzen wird, das ist offen. Und dieser Wille ist bekanntlich zu loben, sagte schon Ovid.

Die Partei bleibt dabei im bekannten Bedeutungsfeld: die Betrachtung des fairen ökonomischen und gesellschaftlichen Zusammenlebens.

Jenes kleine Wörtchen das ist die Geheimzutat, die aus dem inhaltlich reduzierten Slogan ein ansprechendes Versprechen machen kann – und zwar für alle, die das für sich mit zu erledigenden Aufgaben füllen können.

BÜNDNIS 90 DIE GRÜNEN – Bereit, weil Ihr es seid.

Die Partei gibt sich auf ihren Plakaten farblich dezent grün. Inhaltlich geht es unter dem Dach des Slogans um Umwelt- und Gerechtigkeitsthemen. Allem voran den Klimaschutz. Sprachlich geht es bei der Lösung dieser Aufgaben nicht direkt an die Arbeit. Bereit steht in dieser Ellipse allein für den Hauptsatz da. Wer ist bereit? Zumindest, so ist anzunehmen, die Spitzen- und Kanzlerkandidatin. Weil Ihr es seid – und mit Ihr sind die Wählerinnen und Wähler oder die Zielgruppe der Partei gemeint. Die Partei reagiert hier auf eine Strömung in der Bevölkerung. Das Ihr ist großgeschrieben – wohl um die direkte Ansprache sichtbarer zu machen. Das ist sprachlich eigentlich nur noch in Briefen erlaubt. Aber in der Werbung gelten bekanntlich andere Regeln.

Es handelt sich wie gesagt um einen verkürzten Satz, der ohne Subjekt auskommt. Eigentlich ist es sogar ein kurzes und gereimtes Wahlgedicht. Der Nebensatz mit weil stellt einen Kausalzusammenhang her. Das Bereitsein wird damit begründet. Das Pronomen Ihr ist nicht eindeutig zuzuordnen. Es könnte die Klientel der Partei meinen, aber eben auch die Gesellschaft als Ganzes, da das Thema Umwelt alle angeht und auf weitgehende Zustimmung stößt.

Der Slogan ist eher subtil. Hier wird kein Macht- und Führungsanspruch formuliert, sondern mitgeteilt, dass etwas verstanden worden ist. Gleichzeitig ist anzunehmen, dass sich die traditionelle Bereitschaft der Partei, die genannten Themen zu bearbeiten, mittlerweile mit der Bereitschaft der Gesellschaft deckt. Man hat sich einander angenähert und ist jetzt bereit für Regierungsverantwortung auf Bundesebene.

Die ebenfalls vorliegende Bedeutung der Phrase, etwa einen Gefallen zu tun mit der Begründung, na gut, weil du es bist, kann nicht gewollt sein. Hier fehlte der intrinsische Antrieb.

Gar nicht so weit entfernt von dem gemeinsam aus dem Slogan der CDU wird auch von den Grünen eine verbale Brücke geschlagen zwischen Politik und Bevölkerung. Aus den Anforderungen der Menschen und der Gegenwart ergibt sich der Regierungsauftrag. Noch weiter gedacht zeigt sich auch, dass der Slogan suggestive Aspekte hat: Aus der allgemeinen Bereitschaft muss allmählich politisches Handeln entstehen. Immerhin müssten wir unseren Kindern oder den folgenden Generationen dereinst Rede und Antwort stehen, wenn sie fragten, warum wir nicht aktiv geworden seien. An mangelndem Wissen und fehlender Aufforderung kann es kaum gelegen haben.

FDP – Nie gab es mehr zu tun

Kalter Krieg, Wiedervereinigung, Fluchtbewegungen – nie gab es mehr zu tun als in der entsprechenden historischen Phase. Die Partei nutzt in diesem Wahlkampf einen Slogan, der angesichts der jeweils anliegenden Aufgaben zeitlos richtig ist. Auf einem dazugehörigen Plakatmotiv ist der Spitzenkandidat abgebildet, der an einem wenig ergonomischen und schlecht ausgeleuchteten Arbeitsplatz analog Akten durcharbeitet. Hier, so der Eindruck, kommuniziert ein Macher, kein Administrator.

Sprachlich ist an diesem Satz alles korrekt. Er gehört zu den Slogans, die sagen, dass viel gearbeitet werden wird nach der Wahl. Das kann sowohl die Wählerinnen und Wähler betreffen als auch die Politiker. Aber wir haben hier keine Drohung vor uns – die hauptsächliche Bedeutung dieser Botschaft ist natürlich, dass die wichtigen Aufgaben erledigt werden. Ein möglicher positiver Nebeneffekt ist auch, dass Zeiten der wirtschaftlichen Erholung vor uns liegen. Das sollte Arbeitnehmer freuen.

Tenor des Slogans ist Sachlichkeit. Auf emotionale Verschwisterung zwischen Wahlvolk und Politik wird verzichtet. Ebenso auf ein ausgesprochenes Wir-Gefühl. Offen bleibt für den Moment, was genau zu tun ist. Aber, und das ist die entscheidende Aussage: Es gibt die Aufgaben. Mit diesem Impetus, der weniger staunend als nüchtern attestierend die Vielfalt der Baustellen betrachtet, lassen sich auch weitere Plakatmotive der FDP entdecken. Besonders auffällig: Wirtschaftswunder – Make in Germany. Darüber schweigt das Sprachgefühl.

AfD – Deutschland. Aber normal.

Die Partei hat sich für einen Slogan entschieden, der werberisch wirkt. Die Schreibung mit den beiden Schlusspunkten setzt sich über die übliche Interpunktion hinweg. Deutschland – satzwertig. Aber normal – satzwertig. So geht Kommunikation heute. Immer nach vorn. Stakkato. Das wirkt. Dynamisch. Und ist prägnant. Stellt sich die Frage: Ist Deutschland denn nicht normal?

Die Antwort auf diese Frage gibt gegebenenfalls am kompetentesten ein Therapeut. Sprachlich kommt die Partei ohne einen vollständigen Satz aus. Mit den drei syntaktisch verknüpften Wörtern wird dennoch ohne große Worte viel gesagt bzw. angedeutet. Eine Bedeutungsebene ist die, dass Deutschland zurzeit nicht normal ist. Die Konjunktion aber, sie stammt vom Lateinischen normalis ab, dem Winkelmaß entsprechend, drückt einen Gegensatz aus. Dieses Land, das schon. Nur in anderer Verfassung.

Die Nutzung dieses Adjektivs im Zusammenhang mit einem Land ist ungewöhnlich, da es keine internationale Normierung für die Beschaffenheit von Ländern gibt. Normal bedeutet: nach allgemeiner Meinung üblich oder richtig bzw. vorschriftsmäßig. Im Grunde ist es so, dass bei Bundestagswahlen per Wahlzettel darüber befunden wird, was die Allgemeinheit als üblich etc. erachtet.

In ihrem Wahlprogramm listet die Partei acht Punkte auf, die aus ihrer Sicht in die Normalität zurückgeführt werden müssten. Dazu zählen Arbeit, Steuerlast, Einwanderung oder Familien.

Am Rande erwähnt: Der Duden ergänzt den Eintrag zu normal übrigens mit einem besonderen Hinweis: Die Verwendung von normal in der Gegenüberstellung von Menschen (und Ländern?) mit abweichenden Merkmalen gilt als veraltet und ist im öffentlichen Sprachgebrauch nicht mehr vorgesehen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Slogan mit minimalen Mitteln viel Raum öffnet für Deutungen. Es geht im weitesten Sinne um Nation und Konformität.

DIE LINKE – Macht das Land gerecht. Jetzt.

Die Partei geht mit einem Appell in den Wahlkampf. Auch sie nutzt das Verb machen für sich und kombiniert es dazu mit dem Adverb jetzt, um Dringlichkeit zu markieren. Hier geht es nicht um Deutschland wie bei CDU und AfD, sondern einfach um das Land. Noch ein Unterschied zu anderen Slogans ist, dass gesagt wird, was gemacht werden soll.

Dem Substantiv Land, hier als Objekt im Satz, wird das Adjektiv gerecht hinzugegeben. Ein Land könnte dem Wortlaut nach gerecht sein, wenn es dem allgemeinen Empfinden von Gerechtigkeit oder Werten gemäß aufgestellt ist. Dazu könnte gehören: eine gerechte Verteilung von Wohlstand.

Jetzt – dieses kleine Wort, mit Punkten abgetrennt, gibt der Aussage eine gehörige Dringlichkeit. Die geforderte Gerechtigkeit ist in diesem Augenblick vonnöten und muss geschaffen werden. Sprachlich ist damit definitiv ein Anspruch auf den Punkt gebracht worden.

Was irritieren könnte, ist die Anrede. Wer soll diese Aufgabe umsetzen? Es könnte das Wahlvolk sein, das aufgerufen ist, seine Stimme für die gerechte Sache abzugeben. Es könnte aber auch ein Appell an die neu zu findende Regierung sein, endlich, und zwar jetzt, gerechte Politik im Land zu machen. Sprachlich möglich ist auch folgender Umweg: Wählt uns und wir machen dann in eurem Auftrag das Land gerecht.

In diesem Slogan, wie in allen anderen auch, die direkt anreden, wird geduzt. Das ist nur konsequent, da das in der Werbung Standard ist. Die Vertraulichkeit begründet sich gegebenenfalls darin, dass jede Partei zuallererst ihre vertraute Klientel ansprechen und aktivieren möchte. Oder neue Menschen zu ihrer Klientel hinzufügen möchte. In diesem Fall sind das sehr wahrscheinlich Menschen, für die der Ausdruck das Land etwas bedeutet und die eine genaue Vorstellung davon haben, wie eine gerechte Gegenwart aussehen sollte.

 

Hendrik Rost

Bereichsleiter Sprache bei Apostroph Germany und seit 2017 im Unternehmen. Seine Leidenschaft gilt allem, was Texten, Editing und Übersetzen angeht – menschgemacht oder künstlich und am besten in Kombination. Neben der Sprache liebt er Familie, Laufen und Canis lupus familiaris!
Hendrik Rost